Schlechte Bewertungen: Online-Bewertungsportal muss Nutzung durch Kunden nachweisen (BGH, Urt. v. 09.08.2022, Az. VI ZR 1244/20)

Mit Urteil vom 09.08.2022, Az. VI ZR 1244/20, hat der BGH erneut zu den Prüfpflichten von Bewertungsportalen entschieden. Neu: Hat ein bewerteter Dienstleister (dort: ein Hotel) den Verdacht, dass (schlechte) Bewertungen ohne vorherige Nutzung seiner Leistung abgegeben wurden, reicht es aus, wenn er die Inanspruchnahme seiner Leistungen durch die bewertenden Personen bestreitet. Das Bewertungsportal muss dann eine Überprüfung einleiten; tut es dies nicht, muss es die Bewertungen löschen: ... mehr

cc) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin Beanstandungen erhoben hat, die so konkret gefasst sind, dass Rechtsverstöße auf der Grundlage ihrer Behauptungen unschwer zu bejahen sind und bei der Beklagten Prüfpflichten ausgelöst haben. Diesen Prüfpflichten ist die Beklagte nicht nachgekommen, weshalb davon auszugehen ist, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt.

(1) Entgegen der Ansicht der Revision reicht eine Rüge des Bewerteten, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist er gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.

Auf der Grundlage der Behauptung, den angegriffenen Bewertungen liege kein Gästekontakt zugrunde, ist ein Rechtsverstoß unschwer, das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, zu bejahen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 26).

(2) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Rügen der Klägerin, den Bewertungen der Nutzer mit den Namen "Sandra", "Nadine", "M und S", "Sven", "Mari", "Karri", "Franzi", "Anja" und "Jana" liege kein Gästekontakt zugrunde, hinreichend konkret waren. Zu weitergehenden Angaben als der, dass diese Nutzer nicht ihre Gäste waren, war die Klägerin – entgegen der Ansicht der Revision – auch angesichts der in den angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person des Nutzers, seinen Begleitern, den (angeblich) in Anspruch genommenen Leistungen und teilweise beigefügter Fotos nicht verpflichtet. Auf die zwischen den Parteien streitige und vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob die Klägerin aufgrund der in den angegriffenen Bewertungen enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Gäste einzugrenzen, kommt es nicht an. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Rügen missbräuchlich erhoben hätte.

Die Rügen der Klägerin haben eine Prüfpflicht der Beklagten ausgelöst, der diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat jede Nachfrage bei ihren Nutzern verweigert. Es ist daher davon auszugehen, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt.

g) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr bejaht. Ist bereits eine rechtswidrige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen erfolgt, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr (vgl. Senatsurteile vom 4. Dezember 2018 – VI ZR 128/18, NJW 2019, 1142 Rn. 9; vom 29. Juni 2021 – VI ZR 52/18, NJW 2021, 3130 Rn. 25; jeweils mwN). Dies gilt auch für das Unternehmenspersönlichkeitsrecht."

 

Betreiber von Bewertungsportalen haften dabei zwar i.d.R.nicht als Täter für eine rechtswidrige Bewertung Dritter, aber als sog. Störer; die Privilegierungen des Telemediengesetzes gelten insoweit nicht:

b) Die Beklagte ist nicht bereits nach § 10 TMG von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Webseite befreit. Sie ist zwar Diensteanbieterin nach § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG, da sie Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG zur Nutzung bereithält. Sie betreibt eine Webseite und speichert dort unter anderem Bewertungen von Nutzern, die sich mit einer E-Mail-Adresse bei der Beklagten registriert haben, zum Zweck des Abrufs. Die Beklagte ist damit Hostprovider. Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt aber nicht für Unterlassungsansprüche, die ihre Grundlage – wie hier – in einer vorangegangenen Rechtsverletzung haben (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 19; vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 19 mwN).

Dies steht nicht im Widerspruch zu den Regelungen der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ECRL; ABl. 2000 Nr. L 178, S. 1). Art. 14 Abs. 3 ECRL lässt die Möglichkeit zu, dass ein Gericht nach dem Rechtssystem der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern (vgl. auch Erwägungsgrund 48 ECRL; Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 20).

c) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es im Streitfall nicht um die Haftung der Beklagten als unmittelbare Störerin (in der Diktion des I. Zivilsenats "Täterin"; zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten des Senats einerseits und des I. Zivilsenats andererseits vgl. Senatsurteile vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029 Rn. 18; vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 16; jeweils mwN) geht. Unmittelbare Störerin könnte die Beklagte nur dann sein, wenn es sich bei den von der Klägerin angegriffenen Bewertungen um einen eigenen Inhalt der Beklagten handelte, wobei zu den eigenen Inhalten eines Portalbetreibers auch solche Inhalte gehören, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu eigen gemacht hat. Von einem Zu-Eigen-Machen ist dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist. Dabei ist bei der Annahme einer Identifikation mit fremden Inhalten grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 28; vom 1. März 2016-VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 17 mwN).

Nach diesen Maßstäben hat sich die Beklagte die von der Klägerin beanstandeten Bewertungen nicht zu eigen gemacht. Dass die Beklagte – was für ein Zu-Eigen-Machen spräche (vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 2020 – VI ZR 495/18, VersR 2020, 485 Rn. 39; vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029 Rn. 18; vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 18; jeweils mwN) – eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der auf ihrem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit oder Richtigkeit vornimmt, ist vom Berufungsgericht nicht festgesteilt worden. Zur unmittelbaren Störerin wird die Beklagte – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht deshalb, weil sie eine Prämie für bis zu zehn Bewertungen pro Monat ausgelobt hat.

 

Zwar muss der Betreiber eines Bewertungsportals Bewertungen Dritter (seiner Nutzer) i.d.R. nicht vorab, vor der Veröffentlichung, prüfen. Als Hostprovider i.s.d. TMG ist er aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt; dann muss er einen behaupteten Verstoß überprüfen und dazu eine Stellungnahme des bewertenden Nutzers einholen:

d) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte als mittelbare Störerin für die von der Klägerin beanstandeten Bewertungen nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit trifft.

aa) Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die Haftung als mittelbarer Störer darf aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbarer Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 31; vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 22; vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 22; jeweils mwN).

Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Hostprovider ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts – hier des Unternehmenspersönlichkeitsrechts -durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 32; vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 23; vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 24; jeweils mwN).

bb) Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen – die richtig oder falsch sein kann – konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191,219 Rn. 25 f.) – bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 24 mwN). Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, das Werturteil vom Betroffenen aber mit der schlüssigen Behauptung als rechtswidrig beanstandet wird, der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaue, sei unrichtig, dem Werturteil fehle damit jegliche Tatsachengrundlage (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350 Rn. 32; vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 24).

cc) Zu welchen konkreten Überprüfungsmaßnahmen der Hostprovider verpflichtet ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen – ggf. zulässigerweise anonym oder unter einem Pseudonym auftretenden – Nutzers (vgl. Senatsurteile vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 38; vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 22; jeweils mwN).

Zu berücksichtigen ist dabei, dass Bewertungsportale eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllen (vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 2020 – VI ZR 495/18, VersR 2020, 485 Rn. 46; vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 40; BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18, NJW 2020, 1520 Rn. 37 – Kundenbewertungen auf Amazon; Erwägungsgrund 47 der Richtlinie (EU) 2019/2161). Der vom Hostprovider zu erbringende Prüfungsaufwand darf den Betrieb seines Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren. Ein solches Gewicht haben rein reaktive Prüfungspflichten, um die es im Streitfall allein geht, in der Regel aber nicht (vgl. Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 40). Auf der anderen Seite kann bei der Bestimmung des zumutbaren Prüfungsaufwands nicht außer Betracht bleiben, dass der Betrieb eines Portals mit Bewertungsmöglichkeit im Vergleich zu anderen Portalen, insbesondere Nachrichtenportalen, schon von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringt. Es birgt die Gefahr, dass es auch für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht wird. Der Portalbetreiber muss deshalb von Anfang an mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Dabei werden die mit dem Portalbetrieb verbundenen Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt, dass die Bewertungen – rechtlich zulässig (vgl. § 19 Abs. 2 TTDSG) – anonym oder unter einem Pseudonym abgegeben werden können (vgl. Senatsurteile vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 40; vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 34). Die Möglichkeit, Bewertungen verdeckt abgeben zu können, erschwert es dem Betroffenen zudem erheblich, unmittelbar gegen den betreffenden Portalnutzer vorzugehen.

Der Hostprovider hat im Fall eines konkreten Hinweises auf einen auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer zu bejahenden Rechtsverstoß diese Beanstandung an den für den Inhalt Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191,219 Rn. 27).

 

Im konkreten Fall war das Bewertungsportal für Reisen seinen Prüfpflichten nicht nachgekommen. Es war daher davon auszugehen, dass den Bewertungen keine Nutzung der bewerteten Leistungen vorausging, sie also in das Blaue hinein, ohne ausreichende tatsächliche Grundlage, abgegeben wurden (möglicherweise auch, um dem bewerteten Hotel gezielt zu schaden):

e) Die beanstandeten Bewertungen greifen in den Schutzbereich des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin ein. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 Rn. 27 mwN). In den angegriffenen Bewertungen werden die Leistungen der Klägerin mit maximal drei Sonnensymbolen bewertet, wobei sechs Sonnensymbole die "Bestnote" sind. Im Freitext bemängeln die Nutzer unter anderem die Sauberkeit der Zimmer, den Zustand der Freizeitanlage und den Service der Klägerin. Die Kundgabe der angegriffenen Bewertungen auf der Webseite der Beklagten ist geeignet, sich abträglich auf das unternehmerische Ansehen der Klägerin auszuwirken. Die Bewertungen können dazu führen, dass potentielle Kunden die Leistungen der Klägerin nicht nachfragen.

f) Es ist davon auszugehen, dass den noch in Streit stehenden Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt, weshalb die Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Klägerin rechtswidrig ist.

aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 14. Dezember 2021 – VI ZR 403/19, NJW-RR 2022, 419 Rn. 18; vom 16. November 2021 – VI ZR 1241/20, VersR 2022, 386 Rn. 15; vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 249/18, VersR 2020, 567 Rn. 18; jeweils mwN).

bb) Im Streitfall ist das Schutzinteresse der Klägerin mit der in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit der bewertenden Nutzer, der Informationsfreiheit der passiven Nutzer und der durch Art. 10 EMRK gewährleisteten Kommunikationsfreiheit der Beklagten sowie dem Schutz der geschäftlichen Tätigkeit der Beklagten nach Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. BVerfGE 158, 1 Rn. 76) abzuwägen. Trifft die Behauptung der Klägerin zu, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt, ergibt diese Abwägung, dass die geschützten Interessen der Klägerin diejenigen der Beklagten und der Portalnutzer überwiegen. Bei Äußerungen, in denen sich – wie im vorliegenden Fall – wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (vgl. Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 36 mwN). Ein berechtigtes Interesse der Nutzer, eine tatsächlich nicht stattgefundene Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin zu bewerten, ist nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für das Interesse der Beklagten, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Inanspruchnahme der Leistung der Klägerin zu kommunizieren, und für das Interesse der passiven Nutzer, eine solche Bewertung lesen zu können.

cc) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin Beanstandungen erhoben hat, die so konkret gefasst sind, dass Rechtsverstöße auf der Grundlage ihrer Behauptungen unschwer zu bejahen sind und bei der Beklagten Prüfpflichten ausgelöst haben. Diesen Prüfpflichten ist die Beklagte nicht nachgekommen, weshalb davon auszugehen ist, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt.

(1) Entgegen der Ansicht der Revision reicht eine Rüge des Bewerteten, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist er gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.

Auf der Grundlage der Behauptung, den angegriffenen Bewertungen liege kein Gästekontakt zugrunde, ist ein Rechtsverstoß unschwer, das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, zu bejahen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 26).

(2) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Rügen der Klägerin, den Bewertungen der Nutzer mit den Namen "Sandra", "Nadine", "M und S", "Sven", "Mari", "Karri", "Franzi", "Anja" und "Jana" liege kein Gästekontakt zugrunde, hinreichend konkret waren. Zu weitergehenden Angaben als der, dass diese Nutzer nicht ihre Gäste waren, war die Klägerin – entgegen der Ansicht der Revision – auch angesichts der in den angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person des Nutzers, seinen Begleitern, den (angeblich) in Anspruch genommenen Leistungen und teilweise beigefügter Fotos nicht verpflichtet. Auf die zwischen den Parteien streitige und vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob die Klägerin aufgrund der in den angegriffenen Bewertungen enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Gäste einzugrenzen, kommt es nicht an. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Rügen missbräuchlich erhoben hätte.

Die Rügen der Klägerin haben eine Prüfpflicht der Beklagten ausgelöst, der diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat jede Nachfrage bei ihren Nutzern verweigert. Es ist daher davon auszugehen, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt.

g) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die für einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr bejaht. Ist bereits eine rechtswidrige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen erfolgt, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr (vgl. Senatsurteile vom 4. Dezember 2018 – VI ZR 128/18, NJW 2019, 1142 Rn. 9; vom 29. Juni 2021 – VI ZR 52/18, NJW 2021, 3130 Rn. 25; jeweils mwN). Dies gilt auch für das Unternehmenspersönlichkeitsrecht.

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